Also sprach Zarathustra by Friedrich Nietzsche
Autor:Friedrich Nietzsche
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-29T04:00:00+00:00
3
Ich gehe durch dies Volk und lasse manches Wort fallen: aber sie wissen weder zu nehmen noch zu behalten.
Sie wundern sich, daß ich nicht kam, auf Lüste und Laster zu lästern; und wahrlich, ich kam auch nicht, daß ich vor Taschendieben warnte!
Sie wundern sich, daß ich nicht bereit bin, ihre Klugheit noch zu witzigen und zu spitzigen: als ob sie noch nicht genug der Klüglinge hätten, deren Stimme mir gleich Schieferstiften kritzelt!
Und wenn ich rufe: »Flucht allen feigen Teufeln in euch, die gerne winseln und Hände falten und anbeten möchten«: so rufen sie: »Zarathustra ist gottlos.«
Und sonderlich rufen es ihre Lehrer der Ergebung –; aber gerade ihnen liebe ich's, in das Ohr zu schrein: Ja! Ich bin Zarathustra, der Gottlose!
Diese Lehrer der Ergebung! Überallhin, wo es klein und krank und grindig ist, kriechen sie, gleich Läusen; und nur mein Ekel hindert mich, sie zu knacken.
Wohlan! Dies ist meine Predigt für ihre Ohren: ich bin Zarathustra, der Gottlose, der da spricht »wer ist gottloser denn ich, daß ich mich seiner Unterweisung freue?«
Ich bin Zarathustra, der Gottlose: wo finde ich meinesgleichen? Und alle die sind meinesgleichen, die sich selber ihren Willen geben und alle Ergebung von sich abtun.
Ich bin Zarathustra, der Gottlose: ich koche mir noch jeden Zufall in meinem Topfe. Und erst, wenn er da gargekocht ist, heiße ich ihn willkommen, als meine Speise.[420]
Und wahrlich, mancher Zufall kam herrisch zu mir: aber herrischer noch sprach zu ihm mein Wille, – da lag er schon bittend auf den Knien –
– bittend, daß er Herberge finde und Herz bei mir, und schmeichlerisch zuredend: »sieh doch, o Zarathustra, wie nur Freund zum Freunde kommt!« –
Doch was rede ich, wo niemand meine Ohren hat! Und so will ich es hinaus in alle Winde rufen:
Ihr werdet immer kleiner, ihr kleinen Leute! Ihr bröckelt ab, ihr Behaglichen! Ihr geht mir noch zugrunde –
– an euren vielen kleinen Tugenden, an eurem vielen kleinen Unterlassen, an eurer vielen kleinen Ergebung!
Zu viel schonend, zu viel nachgebend: so ist euer Erdreich! Aber daß ein Baum groß werde, dazu will er um harte Felsen harte Wurzeln schlagen!
Auch was ihr unterlaßt, webt am Gewebe aller Menschen-Zukunft; auch euer Nichts ist ein Spinnennetz und eine Spinne, die von der Zukunft Blute lebt.
Und wenn ihr nehmt, so ist es wie stehlen, ihr kleinen Tugendhaften; aber noch unter Schelmen spricht die Ehre: »man soll nur stehlen, wo man nicht rauben kann.«
»Es gibt sich« – das ist auch eine Lehre der Ergebung. Aber ich sage euch, ihr Behaglichen: es nimmt sich und wird immer mehr noch von euch nehmen!
Ach, daß ihr alles halbe Wollen von euch abtätet und entschlossen würdet zur Trägheit wie zur Tat!
Ach, daß ihr mein Wort verstündet: »Tut immerhin, was ihr wollt – aber seid erst solche, die wollen können!«
»Liebt immerhin euren Nächsten gleich euch, – aber seid mir erst solche, die sich selber lieben –
– mit der großen Liebe lieben, mit der großen Verachtung lieben!« Also spricht Zarathustra, der Gottlose. –
Doch was rede ich, wo niemand meine Ohren hat! Es ist hier noch eine Stunde zu früh für mich.
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